Rebecca Harms

Mitglied des Europäischen Parlaments in der Grünen/EFA Fraktion 2004-2019

#newsletter    21 | 12 | 2015

Newsletter 09/2015

Liebe Freundinnen und Freunde,

Viele Menschen sind weiter auf der Flucht. Aber wenig Bewegung gibt es nach wie vor in der EU Flüchtlingspolitik. Auf dem EU-Gipfel nur eine Woche vor Weihnachten ging es neben der Nachbereitung der Klimakonferenz und der Terrorismusbekämpfung auch wieder um die Frage, wie die EU gemeinsam Verantwortung in der Flüchtlingskrise übernehmen kann. Vor allem der Vorstoß der EU-Kommission, an den Außengrenzen mehr Beamte von Frontex einzusetzen, im Notfall auch gegen den Willen der betroffenen Staaten, wurde diskutiert. Die EU Kommission will Tempo machen.
Doch ob das die richtige Antwort auf die ungeregelte Einwanderung ist, die wir gerade an den EU Außengrenzen erleben, bezweifle ich. Griechenland ist zur Zeit das EU Land, in dem am meisten Flüchtlinge ankommen. Das Land hat mit seinen vielen Inseln und seine geografische Lage insgesamt eine sehr komplizierte und lange Außengrenze. Das wussten die anderen Mitgliedstaaten auch schon bevor die Flüchtlinge sich auf den Weg nach Norden gemacht haben. Statt jetzt gegen den Willen von Mitgliedsstaaten Frontex-Einsätze durchzuboxen, müsste eine gemeinsame Überzeugung für das Management der Außengrenzen insbesondere des Schengen Raumes gefunden werden. Wenn das als eine Aufgabe etabliert wird, die wieder zuerst der Abwehr von Flüchtlingen dient, dann wird es wahrscheinlich schwer sein, sich zu einigen.

In Deutschland nehmen wir die Aufgabe des Schutzes von Menschen auf der Flucht vor Krieg und Verfolgung seit September  -   also seit gerade mal vier Monaten - wieder ernst. Es wird etwas mehr Zeit brauchen, um eine neue Ordnung in die internationale Aufgabe des Flüchtlingsschutzes zu bringen. Alle wohlhabenden Staaten der Welt müssen sich verantwortlich fühlen. Die Vereinten Nationen müssen größere Ideen für die 60 Millionen Flüchtlinge weltweit entwickeln. EU Staaten, insbesondere die wohlhabenden unter ihnen, müssen dabei Beispielhaftes leisten. Die Aufnahme von mehr Menschen, eine neue und rechtsbasierte Ordnung an den Grenzen, die Hilfe für Flüchtlinge außerhalb Europas, die Bekämpfung der Fluchtursachen und eine großzügige und ernsthaftere Entwicklungspolitik müssen dabei gleichzeitig verfolgt werden. Die aktuelle, schwierige Situation ist ein Ergebnis vieler Unterlassungen und blinder Flecken in diesen Politikfeldern über viele Jahre.

Von Verantwortung zeugt das globale Klimaschutzabkommen von Paris, dass am vergangenen Wochenende von fast 200 Staaten unterzeichnet wurde. Die Einigung ist ein hart errungener diplomatischer Erfolg mit großer Signalwirkung für Politik und Wirtschaft. Zum ersten Mal gibt es auf Ebene der Vereinten Nationen einen Konsens darüber, dass alle Staaten handeln müssen. Großes Lob gebührt den französischen Diplomaten, die es verstanden haben, einen seit Kopenhagen eher blockierten Prozess wiederzubeleben. Global denken aber lokal und dezentral handeln - so könnte man den neuen Ansatz der Verhandlungen beschreiben. Wenn das in Paris neu gesteckte 1,5-Grad-Ziel nun die ernst gemeinte Messlatte ist, müssen wir in der Europäischen Union bis spätestens zum Jahr 2050 aus der fossilen Energiewirtschaft aussteigen. An diesem Ziel müssen sich alle anderen Überlegungen orientieren. Auf dem Weg sind wir mit unseren bestehenden Klima- und Energiezielen für 2030 aber noch lange nicht. Viel zu stark ist bisher der Einfluss jener Staaten innerhalb der EU, die an ihrem alten Energiemix aus Kohle und Atom festhalten wollten. Es ist deshalb gut, dass die Einigung von Paris bereits für 2018 eine erste Überprüfung der nationalen Klimaschutzpläne vorsieht. So kann und muss die EU ihre Ziele hochschrauben, bevor sie sie gesetzlich neu festschreibt.

Die notwendige wirtschaftliche Transformation ist auch nach dem Jubel über den Erfolg von Paris noch kein Selbstläufer. Als Grüne, nicht nur in Deutschland, wissen wir, wieviel Arbeit schon bisher in der Energiewende steckt. Die Aufgabe der klimafreundlichen ökonomischen Transformation ist die Aufgabe für die wir gemacht sind und die wir weiter als eine der großen Prioritäten unseres Engagements setzen müssen. Paris ist ein großer Erfolg für unsere grünen Ideen und hat die Tür aufgemacht für unsere zukünftigen Erfolge.

In Straßburg sind vergangene Woche zwei wichtige Entscheidungen in Verbindung mit dem Dieselgate gefallen: Der Umweltausschuss legte ein Veto gegen die Aushebelung geltender Stickoxid-Grenzwerte ein. Momentan sieht der von den nationalen Regierungen ausgehandelte Kompromiss für den neuen RDE-Test noch vor, dass neu zugelassene Fahrzeuge bis 2020 das 2,1-fache des geltenden NOx-Grenzwertes ausstoßen dürfen und selbst danach noch das 1,5-fache! Das wollen wir ändern. Außerdem hat am Donnerstag auf Grüne Initiative hin das Plenum die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Aufklärung des Dieselemissionsskandals von VW beschlossen. Der Untersuchungsausschuss wird sich mit den Fehlern und Schwächen der EUZ-Kommission und nationaler Behörden befassen. Wenn europäische Gesetzgebung für den Schutz von Gesundheit, Umwelt und Klima ernstgenommen werden soll, dann müssen wir die Schwachstellen klären und bessere Kontrollen ermöglichen. Auf den Korridoren des Parlamentes hörte ich zuletzt, wir wollten VW an den Kragen und gefährdeten Arbeitsplätze in der Autoindustrie. Hm. Gerade Lobbyisten der Autoindustrie sollten sich heute mal fragen, wer es geschafft hat, einen Weltkonzern so unter Druck zu bringen. Schon als wir die Regeln gegen zu hohe Stickoxide und CO2 Emissionen gemacht haben, habe ich vertreten, dass die Zukunft auf den Weltmärkten von den Autoherstellern gewonnen wird, die effiziente und saubere Autos bauen und das alle anderen hinter her fahren werden. Ich denke, dass das immer noch richtig ist.

Mein Dorf Dickfeitzen gehört zur Gemeinde Waddeweitz. Ein Nachbardorf in Waddeweitz ist Wittfeitzen. Dort leben in einer ehemaligen Jugendherberge jetzt 77 Männer, Frauen und Kinder aus Syrien. Die meisten von ihnen kommen aus Großstädten wie Damaskus und haben bisher keinerlei Idee vom deutschen Landleben gehabt. Schon gar nicht von Dörfern, die nur aus 30 oder 40 Einwohnern bestehen und von einer Gemeinde, in der es weit und breit keinen Laden gibt. Zusammen mit dem Verein, der die Unterkunft trägt, einigen Angestellten und Dutzenden von Freiwilligen wird versucht, das Leben für alle neuen BewohnerInnen unserer Gemeinde erträglich machen. Nicht alles ist einfach, aber vieles in diesem Prozess der Verständigung ist gut und beeindruckend auf beiden Seiten. Waddeweitz verändert sich. Und ich danke allen, die dazu beitragen.

Entspannte und gute Weihnachtsfeiertage und ein erfolgreiches 2016!
Rebecca

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1. EU-Gipfel
Vom 17. bis 18. Dezember fand wieder ein EU-Gipfel statt. Die Palette der Themen reichte von der Flüchtlingskrise bis zum Kampf gegen Terrorismus und der Nachbereitung der COP21-Klimakonferenz sowie der Energieunion. Wir Grüne treten in der Flüchtlingsfrage dafür ein, dass sich die Staats- und Regierungschefs zur Aufnahme und einer gerechten Verteilung der Flüchtlinge bekennen. Im Kampf gegen Terrorismus ist es wichtig, dass der Austausch zwischen Polizei, Justiz und Geheimdiensten in Europa verbessert wird, allerdings lehnen wir eine grundrechtswidrige anlasslose Speicherung von Fluggastdaten und anderen personenbezogenen Daten ab.
Harms zeigt Verständnis für Griechenland, Deutschlandfunk-Interview vom 17.12.2015

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2. VW Untersuchungsausschuss
Der Untersuchungsausschuss zu den Konsequenzen aus dem Abgasskandal kommt. Nachdem sich am Mittwoch bereits die Fraktionsvorsitzenden einig wurden, stimmte am vergangenen Donnerstag eine Mehrheit der Abgeordneten im Europäischen Parlament dafür. Der Ausschuss soll 45 Mitglieder und 45 Stellvertreter (Drei plus drei für die Grünen/EFA-Fraktion) umfassen. Der Ausschuss muss klären, welche Fehler gemacht wurden, die den jahrelangen Betrug von VW ermöglicht haben. Die EU-Kommission wird beantworten müssen, warum sie auf Hinweise von Manipulationen bei den Testverfahren nicht reagiert hat und trotz bekannter Emissionsüberschreitungen nicht aktiv wurde.
Abgasskandal: Europaparlament beschließt Untersuchungsausschuss, Pressemitteilung von Rebecca Harms vom 17. Dezember 2015
Das Mandat für den Untersuchungsausschuss:
http://www.greens-efa.eu/fileadmin/dam/Documents/VW_inquiry_committee/Inquiry_committee_VW_mandate.pdf
„EU-Untersuchungsausschuss zur Abgasaffäre steht“, Handelsblatt-online, 17.12.2015

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3. Neue EU Abgasrichtlinien
Vergangene Woche hat der Umweltausschuss im Europäischen Parlament gegen die Entscheidung der nationalen Regierungen Einspruch eingelegt, sehr großzügige Abweichungen von den Grenzwerten bei den neuen Abgastests für Autos zuzulassen. Wir Abgeordnete fordern die EU-Kommission auf, bis April 2016 einen neuen Vorschlag zu den Grenzwerten vorzulegen. Der Volkswagen-Skandal hat gezeigt, dass wir dringend strenge und verlässliche Abgastests in der Europäischen Union brauchen. Bei den neuen Tests sollen die Fahrzeuge nicht mehr unter Laborbedingungen, sondern auf der Straße geprüft werden.
Dieselgate/Abgastests: EU-Umweltausschuss legt Veto gegen Abschwächung der Grenzwerte ein, Pressemitteilung von Rebecca Harms vom 14. Dezember 2015
Machtprobe mit der Autolobby, taz.de vom 15.12.2015

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4. Paris ist ein Auftrag
Das „Wunder von Paris“, schallte es nach der Einigung auf das globale Klimaschutzabkommen durch den Medienblätterwald. Die in Paris erzielte Einigung ist aber ein hart errungener diplomatischer Erfolg mit großer Signalwirkung für Politik und Wirtschaft. Zum ersten Mal gibt es auf Ebene der Vereinten Nationen einen Konsens darüber, dass alle handeln müssen.

Paris ist ein klarer Auftrag, Neues Deutschland, 17.12.2015

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5. Sacharow-Preis
Das Europaparlament hat den saudischen Blogger Raif Badawi mit dem Sacharow-Preis für geistige Freiheit geehrt. Die Grünen/EFA-Fraktion hatte Badawi für den Preis nominiert. Weil Badawi in Saudi-Arabien in Haft sitzt, kam seine Frau nach Straßburg, die momentan in Kanada lebt. Mit dem diesjährigen Sacharow-Preis verurteilt das Europäische Parlament die grausame Bestrafung von Raif Badawi aufs Schärfste, sichert ihm seine Unterstützung zu und fordert die sofortige, bedingungslose Freilassung.
„Ensaf Haidar ist stark für ihren Mann“, Deutsche Welle, 16.12.2015

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6. Brand in AKW Tihange 1
Die belgische Atomaufsichtsbehörde FANC ignoriert weiterhin die Gefahren, die von den Meilern in Tihange sowohl für die belgische als auch deutsche Bevölkerung ausgehen. Nachdem es am Freitag es einen Brandvorfall im belgischen AKW Tihange gegeben hat, müssen die Ursachen jetzt schnellstmöglich aufgeklärt werden. Bruchstückhafte Informationen, ohne präzise über die Ursachen und Umstände zu informieren, sind ist ein Armutszeugnis für den Betreiber und die Aufsichtsbehörde.
Ignoranz belgischer Atomaufsichtsbehörde: Tihange 1 - Nach dem Brand ist vor dem GAU Ignoranz, Pressemitteilung von Rebecca Harms vom 21.12.2015

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7. Offene Fragen zum Entsorgungsmanagement
Anlässlich der Einreichung der nationalen Entsorgungsprogramme bei der EU Kommission hatte die Grüne/EFA Fraktion im November einen öffentlichen Workshop zu den offenen Entsorgungsfragen insbesondere in Deutschland und Großbritannien organisiert. Wolfgang Neumann gibt in einem Diskussionspapier für die Grüne/EFA Fraktion einen Überblick über einige der bisher unbeantworteten Fragen im Umgang mit dem Atommüll in Deutschland.
Offene Fragen zur Entsorgung in der Bundesrepublik Deutschland, Wolfgang Neumann, Intac Hannover, Juni 2015

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8. Besuch der Flüchtlingsunterkünfte im Wendland
Rebecca besuchte Anfang der Woche erneut die Unterkünfte für Flüchtlinge in ihrer Heimat. Im Oktober war die Stimmung in den Notunterkünften noch sehr geprägt von den langen Wartezeiten auf Registrierung und Antragsannahme. Inzwischen hat sich die Lage merklich entspannt. Viele der Flüchtlinge sind inzwischen anderen Kommunen zugewiesen worden. Auch konnten die Verfahren beschleunigt werden, weil seit rund zwei Wochen Mitarbeiter der Landesaufnahmebehörde (LAB) Registrierungen im Dannenberger Camp vornehmen, beinahe auf den Tag genau.
"Notunterkünfte in der Vorweihnachtszeit", wendland.net vom 21.12.2015

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9. „Alles falsch gemacht“ – Seminar der BI Lüchow-Dannenberg
Die Arbeit der Endlagerkommission des Deutschen Bundestages geht in die entscheidende Phase. Die BI Lüchow-Dannenberg bietet am 23. Januar 2016 die Möglichkeit, noch einmal vertiefend und fundiert herauszuarbeiten, warum der Neustart der Endlagersuche mit Gorleben im Schlepptau nicht gelingen kann. Das Tagesseminar findet in Lüchow statt.
Mehr Informationen

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10. Termine
15. Januar 2016: Ziviler Ungehorsam in Osteuropa: Von der Kultur des Widerstandes, Foto-Ausstellungseröffnung der Stiftung Leben und Umwelt zum Fracking-Protest in Polen, Lüneburg.
23. Januar: „Alles falsch gemacht“, Tagesseminar der BI Lüchow-Dannenberg, Lüchow.


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