Rebecca Harms

Mitglied des Europäischen Parlaments in der Grünen/EFA Fraktion 2004-2019

#ukraine    02 | 07 | 2014

Interview mit der Deutschen Welle: Ukraine-Krise - Harms: EU sollte Sanktionen gegen Russland verschärfen

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Diplomatische Versuche, die Ukraine-Krise zu lösen, müssen mit Sanktionen gegen Russland flankiert werden. Das fordert die Fraktionsvorsitzende der Grünen im EU-Parlament, Rebecca Harms, im DW-Interview.


Deutsche Welle: Frau Harms, in der Ukraine ist der Waffenstillstand aufgehoben worden. Es gibt wieder Kämpfe und Gefechte. Wie beurteilen Sie die Lage jetzt? Gibt es tatsächlich eine militärische Lösung für diesen Konflikt?

Rebecca Harms: Der Waffenstillstand ist leider überhaupt nicht respektiert worden an einigen Orten, zum Beispiel in der Stadt Artiomowsk ist vor dem Ende des Waffenstillstands bereits weiter gekämpft worden von den sogenannten Separatisten, von Milizen, von Terroristen. Wie auch immer man diese kämpfenden Truppen dort nennen will. Ich habe das sehr bedauert, denn wie alle anderen hatte ich große Hoffnungen für diesen Friedensplan von Präsident Poroschenko. Er hat sich entschieden, dass die Anti-Terror-Aktionen jetzt weiter gehen sollen. Ich kann überhaupt nicht ermessen, ob das erfolgreich sein wird. Ich kann aber verstehen, dass ein Staat sein Territorium verteidigt. Dass es eine militärische Lösung für die inneren Probleme der Ukraine gibt, daran glaube ich nicht. Als ganz großes Problem sehe ich, dass Russland ein ganz großes Interesse an der weiteren Destabilisierung der Ukraine hat.

Gleichzeitig gehen die diplomatischen Versuche weiter, zu einer Lösung oder zumindest zu Verhandlungen zu kommen. Welche Rolle sollte die Europäische Union dabei spielen?

Die Europäische Union muss ihre Idee für die Unverletzlichkeit der Friedensordnung weiter vertreten. Die EU kann das nur, wenn sie gemeinsam handelt und wenn sie gegenüber Russland bereit ist, die Beziehungen zu überprüfen und zu verändern. Das fängt bei der Krim schon an. Wirtschaftssanktionen werden gebraucht werden, um diplomatische Erfolge bei der Stabilisierung der Ukraine und auch anderer sogenannter „frozen conflicts“ zu erzielen.

Es sieht so aus, als ob die EU versucht hätte, Präsident Poroschenko zu überzeugen, weiter still zu halten, um nicht weitere Sanktionen verhängen zu müssen. Man scheint sich nicht ganz einig zu sein unter den Mitgliedsstaaten, welche Stufe der Sanktionen man wählen soll. Was glauben Sie? Wann werden echte Wirtschaftssanktionen fällig werden?

Einzelne Mitgliedsstaaten stellen offenbar von Anfang an das Konzept der Veränderung der wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland in Frage. Österreich hat kurz vor dem EU-Gipfel einen neuen Gasliefervertrag mit Gazprom abgeschlossen. Frankreich hat unmittelbar nach dem Gipfel 400 russische Marine-Soldaten begrüßt, die ausgebildet werden sollen, um spezielle strategische Kriegsschiffe vom Typ „Mistral“ bedienen zu können. Da läuft ein ganz großer Waffen-Deal zwischen Russland und Frankreich. Alleine diese beiden Beispiele zeigen, dass bisher die Bereitschaft, tatsächlich härterte Wirtschaftssanktionen der Stufe 3 zu verhängen, nicht stabil ist.

Würden denn härtere Wirtschaftssanktionen irgendetwas bringen, würden sie Russland dazu bringen, mehr Einfluss auf die Separatisten auszuüben und seine Politik zu ändern?

Man kann das nie mit Sicherheit voraussagen, aber das ist keine Entschuldigung dafür, es nicht wenigstens zu versuchen. Schließlich sind die Europäer der Meinung, dass Russland ganz bewußt die Ukraine destabilisiert. Ob die Wirtschaftssanktionen, so wie sie bisher verhängt worden sind, gewirkt haben, ist schwer zu sagen. Ich habe aber beobachtet, dass die Börse in Moskau große Probleme hatte, dass das internationale Kapital Russland bereits verlässt. Ich habe den Eindruck, dass andererseits die Rücknahme der Interventionsmöglichkeit zum Schutz russischer Minderheiten im Ausland, diese Revision der Parlamentsentscheidung hat der Börse gut getan. Also, das heißt für mich: Wenn wir uns einig sind, keine militärische Lösung ist möglich, dann muss Europa bereit sein, diplomatische Anstrengungen mit den Sanktionen, mit einer Veränderung der Beziehungen zu Russland, anzugehen.

Die EU hat nicht nur mit der Ukraine, sondern jetzt auch mit Georgien und Moldawien Assoziierungsabkommen unterschrieben, macht damit von außen gesehen einen Schritt Richtung Osten. Russland hat das natürlich sofort kritisiert. Wird die EU ihrer Meinung nach damit zum geopolitischen Faktor im Osten?

Ich sehe die ganze Auseinandersetzung in diesen Staaten im Osten der EU oder zwischen Russland und der EU nicht zuerst unter dem Aspekt der Geostrategie. Ich sehe die Hilfe der EU und die Unterstützung der EU in erster Linie dafür hilfreich, in diesen Staaten aus gefährlichen Entwicklungen, aus stark von Oligarchen bestimmten, nicht demokratischen Systemen rauszukommen, weil die den Kontinent auch destabilisieren. Ich sehe auch, dass in diesen Staaten im Osten auch mehr Menschen wollen, dass diese oligarchischen Systeme überwunden werden. Das war der Antrieb dieser friedlichen Protestbewegung, des Euromaidan, dieser großen Bürgerbewegung. Darauf muss sich die EU konzentrieren. Das heißt aber auch, dass wir keine Politik gegen Russland machen, sondern dass wir eine Politik machen für globale Werte, für Rechtsstaatlichkeit, für funktionierende Demokratie.

Die deutsche Abgeordnete Rebecca Harms ist Fraktionsvorsitzende der Grünen im EU-Parlament. Die außenpolitische Expertin der Grünen engagiert sich seit Jahren für die Zivilgesellschaft in der Ukraine, reiste mehrfach in das Land und unterhält Kontakte zu den Akteuren der Maidan-Bewegung. Das Interview führte DW-Korrespondent Bernd Riegert.


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