Rebecca Harms

Mitglied des Europäischen Parlaments in der Grünen/EFA Fraktion 2004-2019

#atom    13 | 06 | 2008

Störfall im AKW Krsko

Was ist passiert (nach gegenwärtigem Stand)?
Bereits vor der Europäischen Kommission hat die französische Regierung über den Störfall informiert und zu diesem Zeitpunkt auch bereits detaillierter als die Alarmmeldung, die dann später aus Brüssel kam. Die slowenische Regierung meldete erst eine Übung, was sie später korrigierte. Grund für die erste Meldung sei ein Versehen gewesen, so die Behörden in Ljubljana.
Offiziellen Meldungen zufolge handelte es sich um ein Leck im Primärkühlkreislauf des AKW Krsko mit einer Verlustrate von ca. 2,4 m3/h. Abschließend geklärt ist dies nicht.


Der Reaktor war bis 21.30 (lokale Zeit) "schnell heruntergefahren" worden, wobei allerdings eine weitere Kühlung auch nach dem Herunterfahren notwendig ist. Bisher fehlt aber eine klare Auskunft, ob das Kühlsystem noch ausreichend funktioniert.

Die offizielle Meldung der slowenischen Atombehörde im Wortlaut:


ANNOUNCEMENT - Unusual Event at the Krsko NPP

There was a water leak from the primary circuit inside the containment at theKrsko NPP today on 4 June 2008. Operators have shut down the plant safely. Situation is under control. The plant is in stable condition. There is no off-site impact and there is no need for off-site protective measures.


Was bedeutete "Atomalarm"?
Die Kommission löste im Rahmen von ECURIE (European Community Urgent Radiological Information Exchange) Alarm aus. Wie oft dieses System in der Vergangenheit bereits aktiv war, versuchen wir in einer Anfrage an die Kommission heraus zu finden. Auch wenn die Kommission diesen Akt nun als Beweis ihrer Transparenz rühmt, so ist die Frage offen, warum dieser Alarm beispielsweise nach den schweren Störfällen in Forsmark (Schweden) oder im AKW Brunsbüttel nicht aktiviert wurde. Dieses Hintergrundwissen würde erlauben, die Schwere des aktuellen Vorfalls besser einzuschätzen.

Wirklich keine Radioaktivität ausgetreten?
Die slowenischen Behörden als auch die Europäische Kommission erklären, dass keine Radioaktivität ausgetreten sei. Auch Bundesumweltminister Gabriel nahm gegenüber deutschen Medien diese Position ein. Warum haben jedoch Messstellen der Region in der Nacht vom 3. auf den 4. Juni (also in der Nacht vor dem offiziellen Störfall) erhöhte Werte gemessen? Dies zeigt jedenfalls die Übersichtskarte(pdf) des EURDP-Projekts der Europäischen Kommission an.

Fragen an die EU-Kommission:
Rebecca Harms hat in einer dringlichen Anfrage folgende Fragen an die Kommission gerichtet:

  • What was the specific characteristic of the event that made the Commission launch the EU wide procedure?
  • What was the exact information provided by the Slovenian authorities to the Commission and other safety authorities?
  • Why is the information provided by the French authorities to the public more detailed and precise than the information provided by the Commission?
  • How many times has the Commission been informed within the framework of ECURIE since its establishment?
  • How many times has the Commission launched the ECURIE alert?

 

Materialien zum Thema

Detailbriefing auf englisch von Mycle Schneider

Studie Restrisiko: Ereignisse in Atomkraftwerken seit dem Tschernobyl Unfall 1986

 

ARCHIV. DER SPIEGEL 49/1989 vom 04.12.1989, Seite 165b

 

Tschernobyl in Jugoslawien?

In Jugoslawiens einzigem Kernkraftwerk könnte sich jederzeit ein Unglück vom Ausmaß der Tschernobyl-Katastrophe ereignen. Der Atommeiler im slowenischen Ort Krsko, rund 40 Kilometer westlich von der kroatischen Hauptstadt Zagreb, sei ein gefährlicher Pannen-Reaktor, behauptet Vladimir Delic vom militär-technischen Institut in Belgrad: 30 Prozent aller Rohrverbindungen seien dort defekt. Ärger gab es in Krsko, noch bevor das Atomkraftwerk 1981 ans Netz ging. Beim Transport vom Hafen Rijeka zum Bauplatz krachte der 322 Tonnen schwere Dampfgenerator auf die Autobahn. In den folgenden acht Jahren mußte der Betrieb in der von der kanadischen Tochterfirma des US-Konzerns Westinghouse erstellten Anlage (Baukosten: rund zwei Milliarden Dollar) etwa 70mal unterbrochen werden. Und immer noch fehlt Krsko - die Errichtung eines identischen Reaktors für Puerto Rico verbot die US-Nuklearbehörde aus Sicherheitsbedenken - die Betriebserlaubnis: 27 Auflagen wurden nie erfüllt. Nachdem die Nachbarstaaten Italien und Österreich wegen einer möglichen Katastrophe Jugoslawien für die Schließung des Krsko-Reaktors sogar kostenlose Stromlieferungen angeboten hatten, sprang jetzt die Internationale Atomenergie-Organisation ein: Mit 1,2 Millionen Dollar soll in Krsko die Sicherheit nachgebessert werden.

 

 

Links zum Thema

Video Statement

Mit dem Schrecken davon gekommen? - PM von Rebecca Harms

Interview mit Rebecca Harms

Spiegel Online:Erhöhte Strahlungswerte am Tag vor dem Störfall

Google Maps: Der Standort des AKW Krsko


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