Rebecca Harms

Mitglied des Europäischen Parlaments in der Grünen/EFA Fraktion 2004-2019

#griechenland    17 | 07 | 2015

3. Hilfspaket: Meine Gedanken zur heutigen Abstimmung

Liebe Kolleginnen und Kollegen in der Bundestagsfraktion!

Kein Zweifel kann darüber bestehen, dass die Abstimmung zum 3. Hilfspaket eine schwierige Abstimmung ist, nach den Berichten aus den Verhandlungsrunden, in Kenntnis der deutschen Rolle und der Strategien von Finanzminister Schäuble und natürlich auch angesichts der Zumutungen, die das neue Hilfspaket enthält.

Für mich erscheint es aus der europäischen Perspektive trotzdem unvorstellbar, dass die Grünen nach dem mehrheitlichen Ja des griechischen Parlaments jetzt mit Nein stimmen oder sich mit einer Enthaltung vom Platz machen.

Wer bereit war, das Referendum zu respektieren, der kann nicht jetzt aus dieser Haltung des Respektes aussteigen. Und ich bleibe eben bei aller berechtigten Kritik gerade auch unserer Ökonomen tief erleichtert über den Kompromiss in letzter Sekunde. An diesem Kompromiss ist übrigens wirklich gut, dass es Francois Hollande und wohl auch Donald Tusk geglückt ist, den Schäuble-Kurs aufzubrechen und Alexis Tsipras für einen Kompromiss zu gewinnen. Selbst wenn dieser Kompromiss voller Zumutungen und schwierigster Anforderungen steckt ist es gut, dass der Bruch mit Griechenland verhindert wurde. Für das Austarieren der europäischen Gewichte und ein besseres Gleichgewicht zwischen Nord und Süd in der EU ist diese Verhandlung in jedem Fall ein Gewinn. Auch darüber werdet ihr mit abstimmen. Die französischen Grünen in der Assemblée nationale haben ihre Unterstützung mit Denis Baupin an der Spitze bereits deutlich gezeigt.

Ich bleibe auch dabei, dass es für Griechenland keine Alternative zu einem Kurs der Reformen mit dem Euro gibt. Zu viele meiner politischen Freunde in Griechenland haben mir die notwendigen Veränderungen über die Jahre immer wieder erklärt, als dass ich jetzt so tun könnte, als wenn ich nicht wüsste, dass es wirklich große Gerechtigkeitsprobleme gibt, die ohne eine strenge Reform der Institutionen oder ohne eine neue Steuerpolitik nicht gelöst werden können. Statt eine ausweichende Strategie zu verfolgen, sollten die Grünen im Bundestag für den europäischen Kompromiss und für den Einstieg in eine wirkliche Reformphase eintreten. Es bleibt richtig, sich für Investitionen einzusetzen. Unter der Überschrift Green New Deal werben wir seit Jahren in Griechenland für die Erneuerung der Wirtschaftsstrategien. Tsipras bringt für die nötigen Veränderungen jetzt Voraussetzungen mit, die im alten griechischen Politestablishment niemand hatte. Wer glaubt ihn mit Nein oder Enthaltung auch in den kommenden Konflikten in Athen und Brüssel stützen zu können, macht sich etwas vor.

Ich war erschrocken über die Art, wie das Referendum in Gang gesetzt und durchgeführt wurde. Weil so etwas jederzeit die EU-Politik aus den Angeln heben kann, nicht weil ich kein Verständnis für die großen Probleme vieler Griechen hätte. Ich war dann aber aus meiner Perspektive klar für das Ja. Und ich bin auch jetzt wieder für das Ja in den nationalen Parlamenten. Nur mit einem Ja können wir uns die Voraussetzung schaffen in der schwierigen Umsetzung in Griechenland weiter guten Einfluss zu haben oder im Streit um den Kurswechsel in der Eurozone und der EU gehört zu werden. Und gerade die Schuldenfrage muss und kann nur in weiteren gemeinsamen Entscheidungen gelöst werden.

Ich finde, dass zwar die Rolle Schäubles zu Recht kritisiert wurde. Ich habe in allen unseren Telefonkonferenzen der letzten Woche aber darauf hingewiesen, dass der Ton und die Sprache der Auseinandersetzung sowohl um das Referendum als auch jetzt wieder um die Verhandlungen für mich unerträglich geworden sind. Im Europaparlament ist es Marine Le Pen, die die politische Sprache vom Beginn des letzten Jahrhunderts systematisch anwendet: Die im Euro geknechteten Völker, die Unterwerfungsstrategien der starken gegen die schwachen Nationen, die Boches, der hässliche Deutsche, die Verschwörung des Internationalen Kapitals gegen die kleinen Griechen, die stolzen Bürger stolzer Nationen die nun in Kolonien verwandelt werden, das Protektorat....

Wir haben uns in der Krisenpolitik immer gegen die Verunglimpfung der Nationen zum Beispiel durch deutsche und griechische Medien oder Protestler gestellt. Und wir dürfen uns weiter auf keinen Fall anstecken lassen von der um sich greifenden Vergiftung der Sprache durch die Rhetorik der dunklen Zeit des Kontinentes. Der Stil der innereuropäischen Auseinandersetzung darf nicht auf eine Hetze gegen einzelne Staaten, Nationen, Regierungen oder ihre Repräsentanten setzen. Gegen diese Verhetzung ist die EU gegründet worden.

Ja, auch ich fand die Manöver von Schäuble und seine Art schwer erträglich. Aber bitte macht Euch nichts vor: auch die andere Seite hat antieuropäische nationalistische Töne angeschlagen – und das nicht erst in der Kampagne zum Referendum und nicht nur in Griechenland.

Ich würde sehr empfehlen nicht nur die französische Linie jetzt zu respektieren, sondern auch die kleinen Länder der EU, welche eine ganz andere Politik als Griechenland machen, endlich ernst zu nehmen. Die Balten sind ein oft und richtig zitiertes Beispiel. Und die hören sehr ungern, dass sie nur blinden Gehorsam für Schäuble zeigen.

Ja zum Hilfspaket weil es ein Ja zu Griechenland, zu Europa, zu Frankreich ist und ein Nein zum Grexit. Ja, weil es ein Nein zu Schäuble ist. Und Ja zu einer neuen Runde der Auseinandersetzung nicht nur um die Reformen in Griechenland. Es muss konsequent um die Stabilisierung des Euro und die notwendige politische Integration gehen, weil die gemeinsame Währung ohne mehr gemeinsame Politik nicht halten kann.

Rebecca


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